Euro RSCG Düsseldorf ist eine klassische Kommunikationsagentur
mit den Schwerpunkten Werbung und Markenführung.
Angela Merkel und Ursula von der Leyen empfangen uns im Japan-Pavillon auf der Kaiserswerther Straße 135. Wir warten leicht verwirrt auf Martin Breuer, Creative-Director bei Euro RSCG Düsseldorf.
Es ist Weiberfastnacht.
Hinter den beiden Politikerinnen-Masken verstecken sich die beiden Empfangsdamen. Die Agentur ist trotz Karnevals-Stimmung voll besetzt.
Martin Breuer führt uns durch die Büros, in denen konzentriert fleißige Designer und nimmermüde Texter in kleinen Teams zusammenarbeiten.
Unter Zeitnot stellen wir unsere Fragen, schließlich muss Martin vor 17 Uhr noch das aktuelle Kunden-Mailing für die Award-Einreichung abfotografieren.
Wir machen einen kleinen Abstecher zu Art-Director Ingmar Krannich, der uns unverblümt die Wahrheit über seinen Alltag erzählt. So hatten wir uns das vorgestellt.
Wir kehren zur Verabschiedung ins Büro von Martin Breuer zurück, der jetzt
− nach Einbruch der Dunkelheit − mit dem Blitz seiner Kompaktkamera noch immer versucht, das Mailing ins rechte Licht zu rücken.
Ingmar Krannich
Oh Gott hier sieht es aus. So ist es. Spiegelt das was wieder? Neuerdings habe ich noch mehr Chaos. Wir sind gerade hausintern umgezogen, ich saß erst unten, da hatte ich einen größeren Schreibtisch auf dem viel mehr Müll rum stand, mittlerweile versuche ich Ordnung zu halten. Es ist einfach strukturierter, wenn du viele Sachen gleichzeitig machen musst, es ist schon angenehmer, wenn du nicht so viel Durcheinander auf dem Schreibtisch hast.
Aber es ist schon so: je mehr Projekte parallel laufen desto größer werden die Ausdruckhaufen die sich im Büro bilden.
Zum Glück dürfen wir auch Projekte an die Wände hängen, ich bin kein Fan von Agenturen die einem verbieten etwas aufzuhängen, bei denen alles total sauber sein muss.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Ingmar Krannich
Es ist nicht so glamourös, wie man glaubt oder in Fernsehserien sieht.
»Man kommt ganz normal um neun, halb zehn oder um zehn ins Büro und arbeitet seinen Stiefel runter.«
Zuerst lese ich Mails, trinke dabei Kaffee und arbeite dann an Dingen vom Vortag weiter, bzw. − und das ist meistens der Fall − hat man am Vortag schon alles fertig gemacht und man sitzt als erstes an den Kundenkorrekturen.
Der normale Ablauf eines Projektes ist, dass man ein Briefing bekommt und dieses zusammen mit der Beratung bespricht. Dann überlegt man sich eine Lösung zu der Aufgabe, scribbelt die auf, stimmt sie mit dem Creative-Director ab, gibt sie weiter an die Kundenberatung, die das dann an den Kunden weiterreichen. Oder man präsentiert sie direkt beim Kunden. Im Idealfall wird die Idee genommen und weiter umgesetzt.
»Es sieht eben so aus, dass man acht, neun oder zehn Stunden hier in diesem Raum sitzt.«
Glaubst du, dass es Klischees über Werber gibt?
Als ich noch studierte, dachte ich alle Werber seien oberflächliche, geltungsgeile und konsumfokusierte Vollidioten, die sich nur über die Anzahl ihrer Apple-Produkte, ihrer Turnschuhe und ihrer Überstunden definieren. Aber ich habe dieses Klischee in keiner meiner bisherigen Agenturen kennengelernt. Im Gegenteil, die meisten Kollegen sind ziemlich nett und setzen sich kritisch mit den Dingen auseinander die in Agenturen so entstehen.
Leider ist es auch nicht so, dass wir hier andauernd mit Bikini-Models um die Welt Jet-Setten. Es gab ja angeblich mal die Zeit, so in den achtziger Jahren, als es irgendwie toll war, in Werbeagenturen zu arbeiten.
Aber ich weiß nicht ob früher alles besser war, wahrscheinlich ist die Werbung heutzutage industrialisierter. Aber ich bin zu kurz dabei um das wirklich beurteilen zu können. Ich glaube es ist halbwahr.
Die Arbeit verändert sich natürlich durch die Verfügbarkeit von Bildern.
Wenn du heute eine Idee hast und versuchst diese umzusetzen, kannst du scribbeln oder nach Stockbildern suchen. Du wirst in achtzig Prozent der Fälle dein Motiv finden. Es ist zwar noch nicht ideal, aber es ist ungefähr dein Motiv.
Aufgrund der knappen Budgets werden leider immer weniger Shootings gemacht, stattdessen bedient man sich aus dem Pool von Stockphotos.
Findest du das mit den Stockphotos eine gute Entwicklung?
Nein. Das ist furchtbar. Es ist schrecklich, ganz klar.
»Es ist wie McDonalds. Du hast vorgefertigte Näpfe und es wird nur noch portioniert.
Es ist wie bei jedem Dienstleister: Der Kunde hat ein Problem und wir lösen es.«
Es geht ja um Geld. Die Werbebudgets werden zurückgefahren. Der Visuelle Anspruch ihrer Kommunikation ist bei vielen Kunden leider nicht sehr hoch. Lieber werden viele Anzeigenplätze gebucht als ein guter Fotograf. Dadurch tragen so viele Anzeigen, Spots oder Banner auch eher zur optischen Vermüllung der Erde bei, als zu irgendwelchen Kaufanreizen. Es werden Motive auf Teufel komm raus zusammencomposed. Dabei gibt es oft tollere Lösungen um solche Probleme anzugehen. Das Ziel ist es, auch mit geringen Budget saubere Ergebnisse abzuliefern.
Gibt es wenige Kunden, die das einerseits finanzieren können und andererseits wirkliches Interesse an Qualität haben?
Die meisten Kunden vollen logischerweise immer die Beste Qualität für das Geld, das sie für Kommunikation zur Verfügung haben. Wenn ein Kunde z.B. für die Einführung eines neuen Produktes nur 5000 Euro zur Verfügung hat, kann sich die Agentur überlegen, wie man mit diesem Geld ein Maximum an Aufmerksamkeit erregt. Da sind dann neue oder ungewöhnliche Wege gefragt und die erfordern auch einen gewissen Mut vom Kunden, da er sich weniger auf z.B. die Marktforschung verlassen kann. Leider gehen Kunden aber lieber auf Nummer sicher und machen das, was sie kennen und schon immer gemacht haben. Dann werden Banner, Spots oder Anzeigen produziert die unterfinanziert sind.
»Ein sehr gutes Artwork kann eine mittelmäßige Idee aufwerten, aber selbst die tollsten Ideen verblassen, wenn sie lausig umgesetzt werden.«
Merkt der Endverbraucher den Unterschied?
Das ist eine Frage, die ich mir selber auch stelle.
Viele meiner Freunde, die überhaupt nichts mit Reklame am Hut haben, finden Anzeigen und Spots gut, die ich total behämmert, langweilig oder total mies umgesetzt finde.
Ich glaube mein persönlicher Geschmack oder Anspruch ist ein anderer als der der Massen. Anders herum könnte ich mit einem Bad leben das schief und krumm verfugt wurde, während mein Schulfreund, der Fliesenleger ist, da das Grauen bekommt.
Ist man als Werber nicht nur Dienstleister?
Ja. Der Kunde hat ein Problem und stellt uns eine Aufgabe. Wir beraten ihn dann wie eine optimale Lösung aussehen kann. Wobei es schon darauf ankommt, wie das Verhältnis zwischen Agentur und Kunde ist, inwieweit sich der Kunde auch beraten lässt oder nur Ideen in einem sehr engen Rahmen ermöglicht.
»Klar sind wir keine Künstler, sondern tatsächlich eher Handwerker, die ihren Dienst am Kunden verrichten.«
Wie lange kämpfst du um eine Idee? Gibt es einen Punkt, ab dem du aufgibst?
Mmmmh..., viel zu kurz fürchte ich. In meiner Position ist es auch am Undankbarsten. Du musst nicht nur deinen Chef überzeugen, sondern auch dessen Chef, die Beratung und dann natürlich noch den Kunden. Ich merke oft schon wenn ich eine Idee im internen Team präsentiere, ob sie ankommen wird oder nicht. Aber ich bin niemand der partout seine eigenen Ideen immer viel toller findet als die der Anderen, deswegen werde ich wohl nie Chef.
Am schlimmsten ist es aber, wenn der Kunde alles abschmettert und seine eigenen Ideen, oder das, was er dafür hält, umgesetzt sehen möchte. Manchmal fühle ich mich wie der Frisör von Margot Honecker. Sie möchte lila Fönwelle? Sie bekommt eine lila Fönwelle, auch wenn sie damit ziemlich beknackt aussieht und das Volk darüber Witze macht und lacht.
Die Frage ist, ob ihr Frisör ein mutiger Mann war, da er der Frau des Staatsratsvorsitzenden eine lächerliche Frisur verpasst hat, oder ob er feige war ihr nicht zu widersprechen und sie von einer besseren zu überzeugen.
Hast du Skrupel oder ein schlechtes Gewissen, den Leuten schlechte Dinge verkaufen zu müssen?
Im Studium habe ich schon immer gedacht, dass es Grenzen gibt, die ich nicht überschreiten sollte. Zum Beispiel Werbung für Produkte zu machen, die ganz klar auf Kinder oder deren Bedürfnisse zielen oder die einfach nur schädlich sind.
Aber ich habe auch schon für Zigaretten gearbeitet und in dem Moment, in dem ich das gemacht habe, gar nicht darüber nachgedacht. Das fiel mir wirklich auch erst auf, als ich da drin gesteckt habe. Dann denkt man nachts um drei − also es war wieder einmal Nachtschicht: „Was machst du hier eigentlich? Geht das noch klar mit deinem eigenen Gewissen?“
»Klar versucht Werbung die Leute zu beeinflussen, Sachen gut zu finden oder Produkte zu kaufen.
Es gibt so Knöpfe, die gedrückt werden.
‚Begehrlichkeit wecken‘
oder ‚Angst auslösen‘.«
Mit Angst auslösen meine ich diese Spots, in denen den Leuten weiß gemacht wird, dass ihre Gäste den Kaffee deshalb nicht trinken, weil es die falsche Marke ist. Aber diese Art der plumpen Botschaften wird weniger. Trotzdem wird jeder Mensch durch Werbung beeinflusst, das kann man niemals verleugnen.
Ist das bei dir auch der Fall?
Ja klar.
Das ist vielleicht ein komischer Begriff von Werbung, aber ich gucke keine Anzeigen und denke: „Ach das ist ja jetzt ganz toll...“
trotzdem nehme ich natürlich auch die Botschaften auf und lasse mich beeinflussen. Ganz klar, jeder tut das.
Ganz viel passiert natürlich unterbewusst. Dazu gehört nicht nur klassische Werbung, sondern eben auch die Platzierung eines Produktes in Filmen oder Musikvideos. „Ist es absichtlich platziert oder ist es gerade eine Antihaltung, dass eine Band zum Beispiel nur noch T-Shirts mit Aufdrucken von südafrikanischen Parteien trägt?“
Das nimmt man natürlich auf und lässt sich von diesem oder jenem beeinflussen.
Haben Designer und Werber einen Hang zur Selbstausbeutung?
Die Arbeit in Agenturen ist nicht immer befriedigend, wenn man einen gewissen grafischen Anspruch hat. Trotzdem muss man versuchen die Anzeige so gut wie möglich aussehen zu lassen, obwohl neben Überschrift und Motiv auch noch eine Produktabbildung, zwei Störer und ein Ausschneide-Coupon rein müssen.
Ich finde es muss immer noch ein Rest drin stecken, von dem man denkt, das kann man mit gutem Gewissen rausgeben. Man könnte auch einfach seinen Stiefel runter arbeiten, einfach alles nach Kundenwunsch zusammenbauen und nach Hause gehen, aber das wäre nicht meins.
»Grundsätzlich,
das kennt ihr ja vom Studium, arbeitet man
90 Prozent nur für den Papierkorb.«
Vieles, was man entwickelt und gestaltet wandert direkt da rein. Nicht nur, dass es nicht mal präsentiert wird, es schon im Vorfeld abgesägt wird, es auf keine Akzeptanz stößt und dem Chef nicht gefällt oder − was in den meisten Fällen der Fall ist − die Idee oder die Umsetzung einfach nicht gut ist oder dem Chef des Chefs, der Kundenberatung, dem Kunden nicht gefällt...
Leider werden Timings immer knapper, die Zeit die einem zur Verfügung steht, um Ideen zu entwickeln und zu Ende zu denken, reicht oft nicht aus um die Arbeit perfekt zu machen, da einem die Deadlines im Nacken hängen. Dadurch sterben auch viele Ideen, einfach weil sie noch nicht fertig sind.
Stumpft man auf Dauer ab?
Das würde niemand zugeben und das darf man auch vor seinem Chef niemals sagen. Aber ja, definitiv. Man kann nicht in jedes Tagesgeschäft seine Leidenschaft im gleichen Maße stecken, dafür hat man einfach zu viele Baustellen. Man muss priorisieren.
Fußballer sagen oft sie müssen 110% geben, aber Fußballer verstehen nichts von Prozentrechnung.
Aber es gibt auch Projekte von dem man sagt: „Das ist supergeil, da strenge ich mich an.“ Dann macht man es auch gerne.
Da kommt man gerne am Wochenende, investiert viel Zeit, opfert auch viel Freizeit, um Projekte und Kommunikation zu machen, die man super findet. Die du auch zeigen und auf deine eigene Website stellen kannst, mit denen du dich dann bewerben oder auch Preise gewinnen kannst. Das bringt einen dann auch weiter.
Warum gibt es Awards und was hälst du davon?
Auf der einen Seite finde ich das natürlich total gut, weil da Sachen gezeigt werden, die gut und visionär sind. Da sind Sachen, die man sich gerne anguckt und Werbung kann dort das sein, was sie sein kann: unterhaltsam, lustig, überraschend.
Man hat nicht dieses Müllmedium, oder besser gesagt das ‚Überblätterungs-, Umschalt-, Banner-weg-klick-Phänomen‘.
Ich gucke mir das gerne an, nehme gerne die Botschaften auf oder lasse mich davon beeinflussen.
Auf der anderen Seite entsteht vieles davon nur zum Zweck der Awardeinsendung. Solche Arbeiten sehen oft nur andere Werber und Menschen die Kommunikationsblogs lesen. Und Awards müssen auch finanziert werden. Nicht nur die Einreichungsgebühren, hinzu kommt natürlich auch die Umsetzung. Also arbeitet man extra an diesen Projekten, investiert viel seiner Zeit und Energie um seine Arbeiten richtig gut werden zu lassen.
»Awards kosten eine Stande Geld.
Firmen, die viele Awards haben, haben viel dafür investiert sie zu bekommen.«
Ich finde Awards super. Klar ist es toll für seine Arbeit ausgezeichnet zu werden, es macht einen irgendwie stolz. Ich hatte aber auch schon mal den Fall, dass ich dachte: „Mmmh, wieso soll jetzt meine Arbeit besser sein als die von Büro XY, da Büro XY aufgrund der hohen Teilnahmegebühren gar nicht erst angetreten ist?“
Zum Glück wird auf solchen Awardshows immer Alkohol ausgeschenkt. Auszeichnungen sind immer relativ.
Als Kreativer hat man immer den Anspruch weiter zu denken als es im Tagesgeschäft zugelassen wird. Und die dabei entstanden Arbeiten werden vom Kunden leider oft nur stiefmütterlich behandelt. Umso besser ist es dann, wenn diese bei einem Award ausgezeichnet werden.
Komisch finde ich allerdings Kreativ-Rankings. Es ist eine seltsame Art Kreativität in Excel Tabellen zu pressen, damit Menschen die gerne mit Zahlen arbeiten bemerken, dass Agentur XY kreativer ist als Agentur Z. Es geht bei Rankings nur um die Anzahl der Preise oder Medaillen die eine Firma gewinnt, nicht aber um die Kreativität der Arbeiten.
Könntest du zum Abschluss deinen Berufsalltag in fünf Wörtern beschreiben?
Stress. Leidenschaft. Spaß. Hunger − wenn ich unter Strom stehe muss ich ständig Essen.
Mmmm… Berufung? Komisches Wort, oder?
Ich meine, ich habe im Moment einen Beruf, der trotz aller Nerverei und Frustration unglaublich viel Spaß macht und mir ziemlich gut gefällt. Ich arbeite gerne hier.
Wie erklärst du deiner Oma was du arbeitest?
Das fällt mir auch oft schwer. Meine Mutter versteht es mittlerweile.
Meine Oma − als sie noch gelebt hat − fand es auch immer komisch, was ich mache. Aber ich habe gesagt: „Das, was im Fernsehen kommt, wenn Günther Jauch unterbrochen wird, das mache ich.“
Ihr war das aber immer zu Bonbon-Farben und zu laut. Ja, man kann viel von alten Menschen lernen.